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Wohnen für Geflüchtete – Teil III

Aufgrund der starken Zunahme der Flüchtlingszahlen wurde in den letzten Monaten viel über geeignete temporäre Wohnformen diskutiert. Obwohl eine dezentrale Flüchtlingsunterbringung in Wohnungen von Beginn an die beste Voraussetzung für eine nachhaltige Integration am Wohnungsmarkt darstellt, bevorzugen viele Gemeinden – zwecks leichterer Verwaltung und Betreuung – zunächst die zusammenfassende Unterbringung in Gemeinschaftsunter­künften. Da dies in den meisten Fällen unter großem Zeitdruck zu geschehen hat, wurden die dafür maßgeblichen Gesetzesgrundlagen an die neue Situation angepasst.

Das Wichtigste in Kürze

  • Temporäre Flüchtlingsunterkünfte werden als Sonderbauten klassifiziert, deren Standards (energetisch, bauphysikalisch etc.) von jenen des herkömmlichen Wohnungsbaus abweichen.
  • Um verfügbare Flächen- und Raumressourcen rasch nutzbar zu machen, wurden Ausnahmeregelungen zur Bebaubarkeit geeigneter Standorte bzw. zur Umnutzung vorhandener Gebäude geschaffen.
  • Die Anpassungen des Baugesetzbuches haben die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften zwar deutlich erleichtert, jedoch dürfen Erfordernisse der stadtplanerischen und baulichen Qualität sowie der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit dadurch nicht komplett in den Hintergrund rücken.

Aktuelle Gesetzeslage zur Flüchtlingsunterbringung

Fristlose Gültigkeit

Ohne Befristung gültig sind § 1 Absatz 6 Nummer 13 BauGB: „Die Belange von Flüchtlingen und ihrer Unterbringung sind nun ausdrücklich bei der Aufstellung von Bauleitplänen zu berücksichtigen“ sowie § 31 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 BauGB: „Es ist ausdrücklich vorgesehen, dass die Flüchtlingsunterbringung zu den Belangen des Allgemeinwohls gehört, die eine Befreiung von Festsetzungen eines Bebauungsplans ermöglichen.“

Bereits mit dem am 26. November 2014 in Kraft getretenen Flüchtlingsunterbringungsmaßnahmengesetz wurde das Baugesetzbuch (BauGB) geändert und rechtliche Erleichterungen für die Flüchtlingsunterbringung geschaffen. Nicht einmal ein Jahr später waren aufgrund der anhaltenden hohen Anzahl an Geflüchteten erneute Anpassungen notwendig. Mit Wirkung vom 24. Oktober 2015 wurde das Baugesetzbuch im Rahmen des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes noch weitreichender geändert. Die Mehrzahl der Änderungen wurden bis Ende des Jahres 2019 befristet, manche eher allgemein formulierte Paragraphen gelten jedoch unbegrenzt.

So gibt es zum Beispiel eine Lockerung der Energiestandards für Bauten, für die lediglich eine kurze Standzeit vorgesehen ist.

Rahmenbedingungen und Baurecht – gelockerte Energiestandards

Ausnahmen

Bei einer Standzeit bis zu zwei Jahren sind Ausnahmen vom Gesetz zur Berücksichtigung erneuerbarer Energien möglich. Bei einer Nutzungsdauer von maximal fünf Jahren können Neubauten, die dazu bestimmt sind wiederholt aufgestellt zu werden (wie z. B. provisorische Containerbauten), von den Vorgaben der EnEV freigestellt werden, sofern sie als Aufnahmeeinrichtungen oder als Gemeinschaftsunterkünfte dienen (§ 25a Absatz 4 EnEV).

Gemeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete gelten nicht als Wohnungsneubauten für dauerhaftes Wohnen. Sie werden als Sonderbau klassifiziert, der rechtlich wiederum als Wohnheim definiert wird. Dies hat zur Folge, dass individuelle Auflagen an die Genehmigung einer Flüchtlingswohnanlage geknüpft werden können, die deutlich vom Standard des herkömmlichen Wohnungsbaus abweichen. Diese beziehen sich meist auf die Anforderungen an den Brandschutz, Betreuungseinrichtungen, die Bewertung der energetischen Standards und Errichtung von Pkw-Abstellflächen. Insbesondere die von der Standzeit der Anlagen abhängige Lockerung der energetischen Standards ermöglicht eine raschere und vereinfachte Errichtung von temporärem Wohnraum für Flüchtlinge. Bei Bestandsgebäuden beziehen sich diese Erleichterungen vor allem auf die Anforderungen an die Dämmung. Nach § 25a Absatz 1 EnEV reduziert sich der Wärmedämmstandard bei notwendigen Baumaßnahmen an als Flüchtlingsunterkünften genutzten Bestandsgebäuden auf den Mindestwärmeschutz.

Planungsrecht – verfügbare Flächenressourcen nutzbar machen

Nicht geplanter Innenbereich

Mit „nicht beplantem Innenbereich“ bezeichnet man die Gebiete der „im Zusammenhang bebauten Ortsteile“ gemäß § 34 Baugesetzbuch (BauGB), die nicht durch einen Bebauungsplan überplant sind. Normalerweise ist ein Bauvorhaben innerhalb des Innenbereichs dann zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.

Es ist allgemein bekannt, dass die Verfügbarkeit von bebaubaren Flächen in innerstädtischen Lagen begrenzt ist. Für die Unterbringung von 80 bis 120 Menschen in einer Wohnanlage wird jedoch in der Regel ein Grundstück von ca. 4.000m2 benötigt. Um dennoch Gemeinschaftsunterkünfte für die entsprechende Anzahl von Menschen errichten zu können, wurden Ausnahmeregeln zur Bebaubarkeit von Standorten in den „Problemzonen“ einer Stadt geschaffen. Dazu zählen beispielsweise Industriebrachen und Gewerbegebiete, aber auch reine Wohngebiete in Stadtrandlage sowie der nicht beplante Innenbereich. Dadurch haben die Kommunen die Möglichkeit – unter Beachtung der anderen planungsgesetzlichen Regelungen – in relativ kurzer Zeit auf ausgewählte Standorte zugreifen zu können, ohne sich auf langwierige B-Plan-Verfahren einlassen zu müssen. Im nicht beplanten Innenbereich können beispielsweise sämtliche Gebäude in Flüchtlingsunterkünfte umfunktioniert werden, auch ohne dass sie sich planungsrechtlich einfügen (das gilt z. B. für Verwaltungsgebäude, aber auch für Schulen, Krankenhäuser oder ggf. auch kulturelle Einrichtungen und Einrichtungen des Einzelhandels).

Auch in Gewerbe-, Industrie- oder Sondergebieten ist eine auf drei Jahre befristete Umnutzung von Gebäuden möglich. Unter bestimmten Voraussetzungen können an geeigneten Stellen in Gewerbegebieten auch dauerhafte Flüchtlingsunterkünfte zugelassen werden. Darüber werden im gesamten Außenbereich die Umnutzung bestehender Gebäude und die Errichtung befristeter mobiler Unterkünfte begünstigt. Auf Flächen im Außenbereich, die unmittelbar an einen bebauten Ortsteil anschließen, können ggf. auch dauerhafte Unterkünfte neu errichtet werden. All diese Ausnahmeregeln tragen dazu bei, dass schneller und einfacher auf Flächen zur Schaffung von Flüchtlingsunterkünften zugegriffen werden kann. Um eine überstürzte und unreflektierte Auswahl von Grundstücken zu vermeiden, ist bei der Anwendung dieser Ausnahmeregelungen für Flüchtlingsunterkünfte jedoch höchste Vorsicht geboten.

Vergaberecht und Genehmigungsverfahren langwierige Prozesse beschleunigen

Auftragsvergabeprozesse sind ein komplexes Instrument, mit dem öffentliche Auftraggeber ihre Bauaufträge vorbereiten, durchführen und begleiten. Das langwierige Verfahren macht es schwierig auf besondere Anforderungen, wie sie aufgrund des hohen Wohnraumbedarfs für Geflüchtete gegeben sind, zu reagieren. Zwar gibt es im Vergaberecht auch Ausnahmen, diese sind jedoch kaum bekannt. Außerdem bedarf jede Abweichung vom ursprünglichen Verlauf der politischen Legitimation. Hier sehen Experten also Handlungsbedarf, um die Bearbeitungszeit für ein Projekt, welche üblicherweise zwischen drei und fünf Jahre beträgt, deutlich zu verkürzen. Doch nicht nur Vergabeprozesse, auch Genehmigungsverfahren sind ein zeitintensives Unterfangen in der Baubranche. Ob man für die Errichtung von Containern, Zelten und anderen Formen der Flüchtlingsunterbringung eine Baugenehmigung braucht, ist eine Frage des Landesrechts. Je nach Landesbauordnung kommt es einerseits auf die Art der Maßnahme und andererseits auf die baurechtliche Situation an. So bedarf die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern zwar vielfach, aber nicht stets einer Baugenehmigung. Muss ein Genehmigungsverfahren eingeleitet werden, sollte es wegen des besonderen öffentlichen Interesses vorrangig durchgeführt werden.

Kosten und Qualität – Investitionen ganzheitlich betrachten

Bei der Bewertung der Kosten für eine adäquate Flüchtlingsunterbringung darf der Fokus nicht allein auf den Baukosten liegen. [ads-pullquote-left]Gute Einrichtungen mit Kleinstwohneinheiten mit privatem Bad und Küche kosten ca. 25.000 bis 30.000 € je Wohnheimplatz, inklusive Erschließung des Grundstücks, Planung und aller anfallenden Gebühren.[/ads-pullquote-left]Im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtungsweise sind auch die notwendigen Finanzmittel miteinzukalkulieren, die bis zu dem Zeitpunkt eingebracht werden, an dem ein Asylbewerber in unserer Gesellschaft integriert ist und selbst etwas zum Bruttosozialprodukt beitragen kann. Höhere Investitionen in eine integrative und sozial nachhaltige Wohnraumversorgung von Geflüchteten lohnen sich also infolge geringerer Kosten und sonstiger Aufwendungen für anschließende Integrationsbemühungen. Gute Einrichtungen mit Kleinstwohneinheiten mit privatem Bad und Küche kosten ca. 25.000 bis 30.000 € je Wohnheimplatz, inklusive Erschließung des Grundstücks, Planung und aller anfallenden Gebühren. Bei einer Nutzungsdauer einer solchen Anlage von unter drei Jahren, ist es auch wirtschaftlich rentabel, diese zu mieten. Die Kosten für Demontage und Wiederaufbau liegen bei etwa 30% der Grundinvestition. Containerdörfer sind im Vergleich zur Errichtung einer hochwertigen und menschenwürdigen Anlage, welche die entsprechenden energetischen Standards erfüllt, ungefähr ein Drittel günstiger. Die zahlreichen baulich-räumlichen, sozialen und ökologischen Nachteile von Containerdörfern für die Menschen, die darin untergebracht sind, aber auch für jene, denen eine solche Blechlandschaft vor das Fenster gesetzt wird, sowie für die Gesellschaft allgemein müssen an dieser Stelle nicht extra aufgezählt werden. Doch nicht nur für Containerdörfer, sondern grundsätzlich gilt: Wenn vermeintlich temporäre Anlagen zu lange genutzt werden, erzeugt dies wegen der geringen bauphysikalischen Standards erhebliche Mehrkosten, beispielsweise durch erhöhten Heizbedarf aufgrund schlechter Dämmung oder Schimmelbefall aufgrund mangelnder Lüftung.

Die Anpassungen des Baugesetzbuches haben die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften zwar deutlich erleichtert, jedoch darf dabei nicht der Anspruch an stadtplanerische und bauliche Qualität sowie an soziale und ökologische Nachhaltigkeit vergessen werden. Wie denn nun die konkrete Umsetzung einer Sammelunterkunft für Geflüchtete aussehen kann, lesen Sie im vierten Teil unserer Artikelserie zum Thema Wohnen für Geflüchtete.

Weitere Teile dieser Reihe

  • Teil III – Bauen für Geflüchtete – diese Gesetze müssen Sie bei der Flüchtlingsunterbringung beachten

Autorin Sarah Völkl

Sarah Völkl hat Architektur studiert und ist seit Jahren das Gesicht von a better place. Mit ihren Videos ist sie bei YouTube vielen Personen schon länger bekannt. Sarah teilt Ihr Wissen jetzt auch bei den Bautipps von Almondia.

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