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Baurechtliches zur Barrierefreiheit

Barrierefreiheit ist ein komplexes Thema – darüber sind sich sowohl private Hausbauer und Baufirmen, Architekten und Planer als auch Juristen und Finanzierungsberater einig. Gesetzliche Vorgaben und rechtliche Bestimmungen bilden die Grundlage für die bauliche Umsetzung, doch auf beiden Ebenen müssen Hausbesitzer einiges berücksichtigen. Um sich durch den Stapel an Gesetzestexten und den verwirrenden Paragraphendschungel zu kämpfen, sind ein paar Hinweise hilfreich, wo man überhaupt mit der Suche beginnen sollte. Diese Anhaltspunkte zum Baurecht wollen wir Ihnen in diesem Artikel geben.

Das Wichtigste in Kürze

  • Das gesamte Baurecht und somit auch die rechtlichen Grundlagen zum Thema „barrierefreien Bauen“ sind in Deutschland im Wesentlichen Sache der Länder.
  • Die Verbindung von energetischen Sanierungen und barrierearmen Umbaumaßnahmen spart Zeit, Nerven und Kosten und entlastet die Umwelt.
  • Handelt es sich nicht um das eigene Haus bzw. die eigene Wohnung, sollte im Vorfeld der Umbaumaßnahmen eine schriftliche Vereinbarung über finanzielle Aspekte, Bauzeiten, Eigentumsverhältnisse sowie Regelungen zu Instandhaltung und Rückbauverpflichtungen getroffen werden.

Von der UNO ins Bundesland

Allgemeine Bestimmungen zum Thema Barrierefreiheit sind in vielen unterschiedlichen Rechtsmaterien zu finden, beispielsweise im Sozialrecht oder im Baurecht als Bestandteile des öffentlichen Rechts. Die Basis vieler Rechtsgrundlagen zum Thema Barrierefreiheit bildet die 2006 von der UNO verabschiedete und 2009 von Deutschland ratifizierte UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

Art. 9 der UN-Konvention

In Artikel 9 (Zugänglichkeit) der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung wird eine umfassende Barrierefreiheit gefordert: „… den vollen und gleichen Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderung zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten …“ (Artikel 1 Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen).

Auf Bundesebene ist die Definition von Barrierefreiheit auf das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (Behindertengleichstellungsgesetz – BGG, 2002) zurückzuführen.

Behindertengleichstellungsgesetz

Die Barrierefreiheit wird in §4 des Behindertengleichstellungsgesetz – BGG beschrieben: „Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.“

Dieses stellt den Ausgangspunkt für die Landesgleichstellungsgesetze dar, die sich je nach Bundesland im Detail unterscheiden.

Baurecht – Grundlagen mit direktem Bezug zum Planen und Bauen

Die rechtlichen Grundlagen des barrierefreien Bauens gehören, wie das gesamte Baurecht in Deutschland, zum Aufgabenbereich der Länder. Die Grundlage zur Erarbeitung der jeweiligen Landesbauordnungen bildet die von der Bauministerkonferenz erarbeitete Musterbauordnung – MBO (2002).

Musterbauordnung

In der Musterbauordnung 2002, §2 Begriffe (9), wurde der Begriff der Barrierefreiheit verankert: „Barrierefrei sind bauliche Anlagen, soweit sie für Menschen mit Behinderung in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.“

Die Paragraphen zum Thema Barrierefreiheit unterscheiden sich in den einzelnen Bundesländern jedoch zum Teil erheblich. Das gilt vor allem für die Anwendungsbereiche und die Aussagen zum unverhältnismäßigen Mehraufwand und den erlaubten Abweichungen, die damit verbunden sind.

Unverhältnismäßiger Mehraufwand

Die Höhe des unverhältnismäßigen Mehraufwandes im Verhältnis zu den Gesamtkosten einer Baumaßnahme ist nicht einheitlich festgelegt. Z.B. gilt in Berlin als unverhältnis­mäßiger Mehraufwand, wenn die erforder­lichen Mehrkosten 20% der Gesamt­kosten der Baumaßnahme übersteigen.

Detaillierte Vorgaben zur barrierefreien Gestaltung von Wohnungen finden sich in der DIN 18040 Teil 2: Barrierefreies Bauen für Wohnungen. Ziel dieses Regelwerks ist es, weitgehend allen Menschen die Nutzung in der allgemein üblichen Weise ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zu ermöglichen. So sollen alle – egal ob körperlich beeinträchtigte, alte oder kranke Menschen, aber auch Familien mit Kindern oder Personen mit Gepäck – ein selbstbestimmtes Leben führen können. Die konkrete Anwendung dieser Baunorm wird in den Technischen Baubestimmungen der Bundesländer geregelt.

Zwei Fliegen mit einer Klappe – Energiesanierung und altersgerechtes Umbauen

Doch was haben all diese Regelungen und Bestimmungen nun tatsächlich mit Ihrem privaten Bauvorhaben zu tun? Ist es wirklich notwendig, Ihr Haus von Beginn an exakt nach diesen Vorgaben zu gestalten? Vor allem viele ältere Häuser und Wohnungen erfüllen die in den relevanten Normen und gesetzlichen Vorgaben definierten Anforderungen an Barrierefreiheit nicht. Da jedoch ohnehin in jedem Haus früher oder später Modernisierung- und Renovierungsarbeiten notwendig sind, bietet sich diese Gelegenheit an, barrierefreie Umbauten gleich mit einzuplanen. Dies gilt insbesondere für energetische Sanierungen. Wenn bei der Fassadendämmung und dem Einsatz von Wärmeschutzfenstern gleichzeitig eine Verbreiterung des Hauseinganges vorgenommen und beim Fensteraustausch auf entsprechende Bedienelemente geachtet wird, bringt das doppelten Nutzen. Eine Kombination der Maßnahmen vermeidet außerdem die zweimalige Einrichtung einer Baustelle, schont somit die Umwelt und spart nicht nur Zeit und Nerven, sondern auch Kosten. Da bei einem solchen Umbau eine Vielzahl komplexer Rahmenbedingungen und Lösungsmöglichkeiten zu berücksichtigen sind, lohnt es sich, vorab einen Experten zu Rat zu ziehen und gemeinsam vor Ort die gewünschten bzw. notwendigen Maßnahmen zu besprechen.

Mieter oder Vermieter – Wer entscheidet, wer ist verantwortlich, wer bezahlt?

Handelt es sich nicht um Ihr eigenes Haus, ist zunächst zu entscheiden, ob die Moderni­sierung von Eigentümer- oder Mieterseite geplant und durchgeführt wer­den sollen. Es empfiehlt sich, alle genehmigungsrechtlichen Fragen im Vorfeld zu klären und eine schriftliche Vereinbarung zwischen Mieter und Vermieter zu schließen. Darin sollten Sie sowohl finanzielle Aspekte als auch Bauzeiten, Eigentumsverhältnisse, Regelungen zur Instandhaltung und Rückbauverpflichtungen festhalten. Letztere sind, neben Material- und Herstellungskosten, ein häufiger Grund, warum viele Mieter eine Modernisierung scheuen. Grundsätzlich besteht für Mieter im Fall eines Auszugs nämlich eine Rückbaupflicht der eigenständig durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen. In der Regel dürfen jedoch Maßnahmen bleiben, die allen zugute kommen und den allgemeinen Wohnkomfort einer Wohnung verbessern, so z.B. der Abbau von Schwellen.

Autorin Sarah Völkl

Sarah Völkl hat Architektur studiert und ist seit Jahren das Gesicht von a better place. Mit ihren Videos ist sie bei YouTube vielen Personen schon länger bekannt. Sarah teilt Ihr Wissen jetzt auch bei den Bautipps von Almondia.
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